Alles nur Theater an der Waldorfschule?

Interview mit Werner Kleine Waldorflehrer –  Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Harburg.

 

Ich bin Werner Kleine das erste Mal in seiner Rolle als Theater Regisseur im November 2014 begegnet, als er mit der Klasse meines Sohnes „Die Physiker“ inszenierte. Mittlerweise sind/waren wir Kollegen in der Oberstufe. Werner war für mich immer ein ruhiger Fels im aufgeregten, lauten und quirligen Schulalltag.

Ich habe Werner Kleine um ein Interview zum Thema Theater gebeten. Seine Arrangements für die Klassenspiele der Oberstufe waren weit weg vom Mainstream und gingen mir, trotz des oft feinsinnigen Humors, oft unter die Haut. Meist war es für mich kein lockerer und beschwingter Theaterabend.

An der Waldorfschule sind Theater Produktionen fest im Lehrplan verankert: Typischerweise in der 8. Klasse, das letzte gemeinsame große Event mit dem Klassenlehrer und das Klassenspiel der 12. Klasse, bevor sich die Klassen auf das Abitur vorbereiten.

Werner Kleine war seit 33 Jahren für die Klassenspiele in der 12. Klasse an unserer Schule zuständig. Eine lange Laufbahn mit vielen Höhen und Tiefen.

Lieber Werner, seit den Sommerferien bist du im Ruhestand, ohne Schulverpflichtung…aber geht es wirklich ohne die Schule? Du hast gerade das Theaterstück „Bandscheibenvorfall“ mit der 12. Klasse auf die Bühne gebracht.

Was bedeutete das Theater für dich im Schulalltag?

Das Schöne war, dass die intensive Probenarbeit kein Alltag war, sondern ein Aussteigen in eine ganz andere Arbeitsweise mit den Schülern. Die Schüler sind in der 12. Klasse für Bereiche wie Bühnenbild, Beleuchtung oder Kostüme selbst verantwortlich. Das heißt, dass man zu einer gemeinsamen Idee von dem Stück kommen muss, damit das Stück zu einem Gesamtkunstwerk werden kann. Das erfordert interessante Diskussionen, bei denen man als Lehrer seine Vorstellungen nur durchbringen kann, wenn man überzeugt. Und es kommen sehr gute Ideen von den Schülern dazu.

Wie bist du zum Theater Regisseur geworden?

Ich habe im Rahmen meines Germanistik-Studiums Seminare bei einem Schauspiellehrer besucht und gemerkt, dass die Theaterarbeit einem hilft, geistig beweglich zu bleiben und sich mehr zu trauen. Und es hat einfach Spaß gemacht. Später kamen Workshops dazu, und mit der Anstellung an der Waldorfschule gab es dann die Möglichkeit, mit Schüler Theater zu machen.

Was lernt man, wenn man mit dir Theater spielt?

Man lernt, im Team zu arbeiten, d.h. eigene Standpunkte zu vertreten, aber andere Ideen anzuerkennen und zu guten gemeinsamen Lösungen zu kommen. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Verantwortung übernommen wird und Absprachen eingehalten werden. Es gibt viel über Kommunikation und Psychologie zu lernen, denn im Textbuch steht zwar, was die Figuren sagen, aber nicht, warum sie das sagen, was sie damit erreichen wollen, welche Gedanken hinter den Worten stehen. Wenn man das ergründet, versteht man, wie komplex Kommunikation ist. Außerdem wird man sich selbst seiner Angewohnheiten und Eigenarten bewusst, denn die passen vielleicht gar nicht zur Rolle. Und dann muss man das, was normalerweise unbewusst geschieht, bewusst vermeiden und verwandeln.In den Proben und bei den anderen Arbeiten am Stück lernt man seine Mitschülerinnen und Mitschüler noch einmal neu kennen. Und bei den Aufführungen erlebt man, wie beglückend es sein kann, richtig Arbeit in einen künstlerischen Prozess zu stecken und zu einer Perfektion zu kommen, die das Publikum mit seiner Reaktion wertschätzt.

Wie hat dich das Theaterspielen verändert und was nimmst du davon mit in deinen Ruhestand?

Ich denke, das Theaterspielen hat mich offener und beweglicher gemacht. Und in Alltagssituationen macht es viel Spaß, mal in die ein oder andere Rolle zu schlüpfen. Das letzte Stück habe ich ja schon als Rentner begleitet. Mal sehen, was noch so kommt.

Was waren deine Höhen und was die Tiefen während der gesamten Theaterlaufbahn?

Meist gab es eine Woche vor der Aufführung das Gefühl, dass es diesmal nur peinlich werden kann. Dazu kam dann manchmal noch der Traum, dass bei der Aufführung eine wichtige Rolle ausgefallen ist, und alle meinen, ich müsste das jetzt spielen, schließlich kenne ich ja das Stück. Und dann geht der Vorhang auf und ich stehe auf der Bühne. Aber ich kann den Text ja gar nicht! – Und dann kamen die letzten Proben und es fügte sich alles zusammen und die Schülerinnen und Schüler brachten bei den Aufführungen manchmal eine Qualität, die wir in den Proben nur in besonderen Momenten erreicht hatten. Das ist Glück.

Lieber Werner, vielen Dank für deine Unterstützung.

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